von Yannick Haller | Aug. 13, 2024 | Hunde Info, Hundetraining

Und mal wieder scheint dein Hund wie aus dem Nichts die Kontrolle zu verlieren und sich in ein bellendes, ziehendes Monster zu verwandeln. Schuld daran war wohl Fahrradfahrer Nummer 5.
Nun, aus dem Nichts kommt selten ein hündisches Verhalten. Verhalten kündigt sich an. Teils mit deutlichen, teils mit sehr subtilen hündischem Ausdrucksverhalten. Vieles was ein Hundehalter übersehen kann. Plus: es gibt viele Dinge die die Impulskontrolle eines Hundes aufbrauchen.
Was ist Impulskontrolle?
Impulskontrolle ist so etwas wie Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle in bestimmten Situationen. Die bewusste Kontrolle über Emotionen und die eigenen Handlungen. Und Impulskontrolle ist endlich. Jedes Lebewesen besitzt ein Kontingent an Impulskontrolle. Es ist individuell, jedoch endlich und somit endet auch die Selbstbehrrschung irgendwann.
Sicher ist: ein Hund der unter Dauerstress steht, aufgeregt ist oder schlecht zur Ruhe kommt hat stets weniger Impulskontrolle zur Verfügung als ein gesunder, ausgeglichener Hund. Denn das Kontingent wird im Schlaf und in in Ruhephasen wieder aufgebaut.
Durch die Verarbeitung von Erlebten im Schlaf erholt sich der Hund und kann dadurch schwierige Situationen besser meistern. Ruhe und Selbstbeherrschung hängen also direkt zusammen.
Was verbraucht und beeinflusst Impulskontrolle?
Generell kann man sagen: je schwieriger eine Situation für den Hund war und je souveräner sie gelöst worden ist, umso mehr Impulskontrolle hat der Hund dafür benötigt.
Wichtig ist auch der Kontext in dem etwas geübt und gelernt wurde.
Zum Beispiel übt man das Signal Bleib erst mal zu Hause. Dort klappt es super. Der Hund führt das Signal gerne und zuverlässig aus. Er verbraucht hierfür kaum etwas seines Impulskontingents.
Soll der Hund das Bleib dann jedoch in einer neuen Situation ausführen zB auf einer Gassirunde, so braucht der Hund dafür viel Impulskontrolle. Nach ausgeübter Impulskontrolle wird die Fähigkeit zur Selbigen für einen gewissen Zeitraum schlechter. So kann es sein, dass gleich nach erfolgreicher Ausübung des Bleib-Signals in einer neuen Situation eine Wiederholung des Signals nicht mehr möglich ist.
Damit ich dennoch mit dem Hund in einem neuen Kontext trainieren kann ohne viel Impulskontrolle zu verbrauchen, sollten die Übungen so kurz und kleinschrittig gestaltet sein, dass der Hund diese fehlerfrei ausführen kann. Es ist also sinnvoll, darauf zu achten, wie schwer der Kontext für den Hund ist in dem man trainieren möchte. So spart der Hund etwas von seinem Impulskontingent auf, dass er dann eventuell für für ihn wirklich schwierige Situationen benötigt wird zB Hundebegegnungen, damit er diese meistern kann.
Impulskontrolle wird kontextbezogen gelernt und die meisten Impulskontrollübungen verlassen ihren Kontext nicht. Dafür verbrauchen sie wertvollen Kontingent, dass der Hund an anderer Stelle dringend nötig hätte. Das bedeutet, die Fähigkeit zur Impulskontrolle wird von dem Hund nicht generalisiert.
Zum Beispiel: kann der Hund minutenlang vor dem vollen Futternapf warten, kann er das sicher nicht wenn er ein laufendes Reh sieht. Wenn der Hund also in einem Kontext A gelernt hat zu warten, kann er das nicht zwangsläufig in einem anderen Kontext.
Es gibt nicht notwendige Übungen die Impulskontrolle verbrauchen:
– Langes Warten vor dem Napf oder Keksen
Ist dem Hund das Fressen wichtig, was sehr oft auf Hunde aus dem Tierschutz zu trifft, verlangt diese Übung sehr viel Selbstkontrolle ab. Auch kurzes Warten vor dem Napf frisst Impulskontingent.
Auf diese ‚Übung‘ können die allermeisten Hundehalter getrost verzichten.
Unsere Hunde warten mittlerweile übrigens von alleine bis der Napf auf dem Boden steht, ohne dass wir das explizit geübt haben.
– Bevor es zum Gassi geht, den Hund im Sitz warten lassen bis er ruhig wird.
Besser ist es zB Leckerchen auf dem Boden zu streuen. Suchen entspannt und beruhigt. Oder ein paar Physioübungen zu machen, so muss sich der Hund auf etwas anderes konzentrieren.
– Leinenführigkeit ausschließlich über Stehen bleiben zu trainieren wenn der Hund in die Leine läuft.
Lernen durch Fehler ist frustrierend und braucht viel Impulskontrolle.
Hier lieber mit einem Mix an verschiedenen Leinenführübungen arbeiten. Und vor allem den Hund loben wenn er an lockerer Leine läuft.
– Flooding
Hier setzt man den Hund sehr vielen Reizen aus (zB man geht mit einem Hund der Schwierigkeiten mit anderen Hunden hat in ein Gebiet wo sehr viele Hunde sind) oder sehr lange Reizen aus. Bis der Hund -vermeintlich- ruhig ist und kein unerwünschtes Verhalten mehr zeigt.
Leider geht dieser Schuss nach hinten los. Nicht nur, dass das Impluskontingent restlos aufgebraucht wird. Nein, der Hund kann daraus die Konsequenz ziehen, dass es sich nicht lohnt sein Verhalten zu zeigen, Stress zu zeigen. Kommt er dann wieder in so eine Situation, vielleicht mit nur einem anderen Hund, explodiert er und das unerwünschte Verhalten tritt umso stärker auf.
Es ist eben keine Selbstbeherrschung, wenn eine Situation einfach ausgehalten wird. Der Hund möchte diese dennoch gerne verlassen, kann dies aber nicht mehr zeigen.
Impulskontrolle aufzubauen bedeutet, dass der Hund lernt mit einer Situation umzugehen, nicht dass er sie aushalten muss ob er will oder nicht.
Generell kann man sagen, dass Übungen die Frust oder andere negative Emotionen erzeugen, für unsere Hunde meist nicht sinnvoll sind.
Übungen, die den Alltag und unsere Interaktion mit dem Hund vorhersehbar und berechenbar machen und positive Emotionen vermitteln, ergänzen den Hundealltag jedoch sinnvoll.
Das Alter eines Hundes hat ebenfalls Auswirkungen auf die Impulskontrolle. Befindet sich der Hund in der Jugendentwicklung, wird sein Gehirn umgebaut. Der emotionale Teil ist in dieser Phase dem rationalen Überlegen. Dies begünstigt natürlich auch impulsives Verhalten.
Und dann gibt es noch die Körpergröße der Hunde.
Je massiger ein Hund, umso besser ist die Fähigkeit zur Impulskontrolle. Achtung – es geht hier nicht um übergewichtige Hunde, sondern um die Breite und Stärke des Knochen- und Körperbaus.
Je leichter und schmaler der Körperbau eines Hundes, umso höher ist der Stoffwechsel, was zu einem schlechteren Nervenkostüm und einem nervöseren Hund führen kann.
Aber Hunde, die nur auf Masse gezüchtet werden und die aufgrund dieser Größe andere gesundheitliche Probleme, zum Beispiel im Bewegungsapparat haben, werden dennoch nicht generell eine gute Impulskontrolle haben, denn Wohlbefinden spielt auch eine Rolle.
Die Rasse des Hundes bzw. Linien innerhalb der Rasse haben ebenfalls Einfluß auf das Vermögen zur Impulskontrolle.
Das passiert durch die Selektion auf einen bestimmten Körperbau, aber auch durch die Selektion auf Hunde, die schnell reagieren sollen. Hütehunde wie Border Collies, Aussies oder Arbeitshunde wie Malinois müssen schnell agieren um ihren Job richtig auszuführen. Schnelle Reaktionen und Impulskontrolle schliessen sich leider häufig aus.
Direkt zusammen mit der Impulskontrolle hängt die Frustrationstoleranz. Dies bedeutet, dass der Hund, wenn er etwas möchte und nicht bekommt, frustriert wird. Wie schnell dies geschieht ist wieder von Hund zu Hund unterschiedlich. Je frustrierter der Hund wird, desto mehr Impulskontrolle verbraucht er.
Auch hier gilt, dass ein bloßes Ertragen einer frustrierenden Situation nicht zu einer erhöhten Frustrationstoleranz führt.
Eine kleinschrittige, faire Auseinandersetzung mit Frust ist notwendig und sinnvoll.
Dazu sollte man sich auch überlegen, welche Alternativverhalten man dem Hund anbieten kann, damit er eine Situation nicht mehr als stark frustrierend empfindet. Diese Alternativverhalten sollten zum Hund und zur jeweiligen Situation passen. Hat man zB einen Hund der gerne dem Hasen nachhetzen möchte, eignet sich ein kurzes Hetzspiel mit einem Spielzeug, Leckerchen, anderen Objekt.
Versuche also nicht gegen deinen Hund und seine Bedürfnisse zu trainieren, sondern mit ihm. Du wirst merken, dass der Alltag mit deinem Hund stressfreier wird und eure Bindung enger.
Mit passenden Belohnungen hilfst du deinem Hund auch schwierige Situationen mit einem guten Gefühl zu bewältigen.
von Yannick Haller | Juli 15, 2024 | Hunde Info, Leben mit Hund

Du hast dich für einen Hund aus dem Tierschutz entschieden? Du hast das Foto gesehen und warst schockverliebt. Dieser und kein anderer soll es sein.
Und nebenbei tust du noch etwas Gutes und rettest eine arme Hundeseele. Sicher wird dein neuer Gefährte dankbar dafür sein. Sicher?
Du solltest von dem Hund keine Dankbarkeit erwarten. Hunde sind Opportunisten, müssen sie sein. Sie passen sich der jeweiligen Umgebung an um zu überleben. Aber klar, ihr könnt best buddies werden.
Natürlich ist es eine gute Entscheidung einem Hund aus dem Tierschutz ein neues zu Hause zu geben. Jedoch solltest du dir deiner Erwartungshaltung
dem Hund gegenüber bewusst sein. Allzu oft kollidiert diese dann mit der Wirklichkeit. Vor allem Hunde aus dem Auslandstierschutz stellen ihre neuen Halter vor großen Herausforderungen.
Jedoch solltest du deine Entscheidung nicht aus Mitleid dem Lebewesen gegenüber treffen. Du solltest den Hund relativ erwartungsfrei betrachten. Niemand, auch nicht die Leute aus dem Tierschutz, können Dir wirklich sagen, wie sich der Hund in seiner neuen Umgebung verhalten wird. Denn ein maßgeblicher Faktor für seine Entwicklung wirst du sein.
Niemand kann dir sagen, wie sein Wesen wirklich ist. Die Leute aus dem Tierschutz kommen selber oft nur schwer bis unmöglich an verlässliche Informationen über sein früheres Leben.
Sie haben Momentaufnahmen seines Verhaltens im Tierheim. Diese dort gezeigte Verhalten kann dann bei dir ein vollkommen anderes sein. Positiv als auch negativ.
Du solltest, noch bevor der Hund bei dir eingezogen ist, wissen wo du dir Rat und Hilfe holen kannst. Nicht in jeder Hundeschule sind Tierschutzhunde wirklich willkommen. Dasselbe gilt leider auch für einige Tierärzte. Nicht jeder kennt sich mit einem second hand Hund aus.
Du solltest dir bewusst machen wie du mit möglichen Problemen, umgehen kannst und willst. Ebenso damit, wenn der Hund keine Nähe und schon gar keinen Körperkontakt möchte.
Du solltest die Bereitschaft haben das hündische Ausdrucksverhalten von Anfang am lesen zu lernen. Nur so lernst du deinen neuen Hund wirklich kennen. Kannst dich auf ihn einlassen.
Du hast dir all das und noch viel mehr überlegt? Eine bewusste Entscheidung getroffen? Super. Dann steht eurem gemeinsamen Weg nichts mehr im Weg.
Schenke deinem neuen Gefährten die Geduld die es braucht. Gebe ihm Fürsorge, Ruhe, Zuwendung und Sicherheit. Achte auf seine Körpersprache, er wird
dir sagen, was gut für ihn ist und was nicht.
Lasse ihn seine eigene Handlungsfähigkeit erleben, seine individuellen Fähigkeiten entwickeln. Aber vermenschliche den Hund nicht. Zeige ihm auch von Anfang an seine Grenzen, behutsam aber bestimmt. Er muss erst lernen wie er sich verhalten soll. Was erlaubt ist und was nicht.
Ich hatte bie jetzt immer Hunde aus dem Tierschutz. Es war und ist anstrengend. Aber ich habe es nie bereut. Ich freue mich an der Entwicklung, an dem Überraschungspaket, an den neuen Herausforderungen. Und sie können so viel zurückgeben.
von Yannick Haller | Mai 17, 2024 | Hunde Info

Sicher kennst du das: da bemerkst du einen anderen Hundehalter mit seinem Hund, wie dieser brav neben ihm hertrottet. Und sofort vergleichst du oder wirst sogar neidisch weil dein Hund von an lockerer Leine gehen so überhaupt nichts hält.
Danach fühlst du dich frustiert, niedergeschlagen und überlegst, was du nur in der Hundeerziehung falsch gemacht hast.
Natürlich geht es auch anders rum. Da hast du eventuell Schadenfreude wenn du siehst wie der fremde Hund seinem Frauchen einfach nicht gehorchen will. Du empfindest Erleichterung und Bestätigung, dass du in der Hundeerzeihung doch Vieles richtig gemacht hast.
Es gibt also den Aufwärtsvergleich, man vergleicht sich mit Etwas das vermeintlich besser zu sein scheint und den Abwärtsvergleich, man vergleicht sich
mit Etwas das schlechter ist. Die Gefühle dabei sind verschieden. Beim Aufwärtsvergleich fühlt man sich unterlegen, unfähig, frustriert; beim Abwärtsvergleich überlegen, glücklich, selbstbewusst.
Wir Menschen vergleichen uns mit anderen Menschen, Hundehaltern. Bewusst und unbewusst.
Oft sind es die Eltern und Erzieher, die uns gewollt oder ungewollt mit Gleichaltrigen verglichen haben. Das setzt sich fest. So wird der Vergleich in gewisser Weise zu einem Appell an unsere sozialen Instinkte, die nach Integration streben.
Eigentlich sind Vergleiche nicht gut, denn man sollte bei sich selbst bleiben und sich darauf konzentrieren, wie man selbst ist und was einen noch stärker machen kann.
Jedoch, es ist unrealistisch zu erwarten, dass wir uns nicht vergleichen. Wir tun es alle. Der eine mehr, der andere weniger.
Was hat dies nun mit dir und deinem Hund zu tun? Ziemlich viel.
Zum einen der Vergleich mit anderen Hundehaltern und deren Vierbeinern. Dabei siehst du nur einen Ausschnitt aus dem Leben des anderen. Wer weiß: vielleicht läuft der fremde Hunde ja toll Fuß, kann dafür nicht alleine bleiben ohne die Wohnungseinrichtung zu zerstören. Oder er wurde mit Strafe erzogen und läuft nur so toll, weil er Angst vor Bestrafung hat. Dabei ist er dauer gestresst und alles andere als glücklich.
Besser wäre es, wenn du versuchst dich auf deinen Hund zu konzentrieren. Lass die anderen ziehen. Überlege dir mal bewusst, was dein Hund schon alles kann und bereits gelernt hat.
Wie ihr zusammen die Welt ein Stück erobert habt. Niemand, und natürlich auch kein Hund, ist perfekt. Ohne Fehler kann kein Lernen stattfinden.
Lass die vermeintlich Perfekten mit einem Lächeln ziehen und freue dich auf die gemeinsamen Erlebnisse mit deinem Hund. Natürlich darfst du genervt und gestresst sein. Vor allem dann, wenn dein Hund wirklich ein größeres Verhaltensproblem hat. Aber auch dann: schau auf deinen Hund und darauf
wie du ihm helfen kannst. Finde eine Lösung, individuell, für dich und für deinen Hund.
Und dann kommt es leider sehr oft vor, dass man seinen neuen Hund mit dem vorherigen vergleicht. Meist zum Nachteil des neuen Hundes. Der Vorgänger lernte sehr viel schneller. Man konnte mit ihm dies und jenes machen. Er mochte andere Hunde.
Und genau all diese Erwartungen hat man an den Neuen. Ja, eigentlich hat man ihn nur ausgewählt, weil man der Überzeugung war, er würde so werden wie der alte Hund.
Umso größer die Enttäuschung. Die Unzufriedenheit. Der Neuzugang jedoch hat von Anfang gar nicht die Chance als eigenes Individuum wahrgenommen zu werden.
Da wird so trainiert wie man es mit dem alten Hund getan hat. Klappt dies nicht, liegt der Fehler immer am neuen Hund.
So versperrt man sich die Sicht auf etwas Neues. Darauf, den Neuzugang als eigenes Individuum kennen zu lernen. Mit ihm neue Dinge zu erforschen oder Bekanntes anders wahr zu nehmen. Mit dem neuen Hund und den damit verbundenen neuen Herausforderungen zu wachsen. Ihn als eigenständiges Wesen anzuerkennen
und wert zu schätzen.
Geh einmal in dich und frage dich, wieso vergleichst du deinen neuen Hund ständig mit seinem Vorgänger und wie wäre es ohne Vergleich?
Welche Werte und welche unerfüllten Bedürfnisse stecken dahinter?
Versuche den Neuen auch als Neuanfang in Sachen Hund zu sehen. dich auf sein Wesen einzulassen. Du kannst nur wachsen, dich weiterentwickeln.Und natürlich
eine tolle Beziehung zu deinem Vierbeiner aufbauen.
Werde dir deiner Vergleiche bewusst. Dies ist schon mal ein großer Schritt. Vielleicht merkst du dann bereits, wie unsinnig dieses ewige Vergleichen ist.
Und wie viel entspannter ein Leben mit weniger Vergleichen sein kann.
von Yannick Haller | Apr. 12, 2024 | Hundetraining
Viele Hundehalter scheuen sich davor, ihren Hund als Angsthund oder ängstlichen Hund zu bezeichnen.
Da wird viel lieber mal gesagt, der Hund sei stur, er möchte bestimmen, der soll sich nicht so haben oder da muss er durch. Vor allem dann, wenn das Verhalten des Hundes so gar nicht dem angeblichen Angstschema entspricht.
Verhalten das Allgemein dem Begriff Angst zugeschrieben wird:
Fluchtverhalten, Erstarren, Hin-und Herlaufen in Kombination mit Hecheln, sich verstecken, nicht mehr ansprechbar sein.
Leider ist das mit der Angst nicht so einfach. Denn ein Angsthund kann Verhaltensweisen zeigen, die nicht direkt mit Angst in Verbindung gebracht werden.

Das wäre zum Beispiel:
Hyperaktivität, Aggression, exzessives Bellen, Zwangsverhalten wie Schwanzjagen, sich übermäßig Lecken, exzessives Hüteverhalten, exzessives Jagdverhalten, depressives Verhalten, die Menschen anspringen, Dinge anknabbern, beim Gassi langsamer werden und/oder nicht mehr Weitergehen wollen.
Zwei Beispiele, bei denen man nicht direkt an Angst denkt:
- Es gibt Angsthunde, die im Alltag keine Schwierigkeiten machen. Sie kleben an ihrem Besitze>r und sind dadurch „leicht erziehbar“. Diese Hunde zeigen einen geringen Erkundungsradius, was angenehm ist, weil sie nicht weglaufen. Aber sie leiden still! Sie kleben am Besitzer, weil sie Angst haben.
- Angsthunde lassen sich im Training leicht ablenken. Häufig wird die Angst als solche nicht erkannt und der Hund als „stur“ bezeichnet. Die Konsequenz ist, mehr Strenge im Training, die zu weiterem Stress und Angst führt.
Deswegen ist es wichtig Deinen Hund uns sein Verhalten im jeweiligen Kontext genau zu beobachten und zu beschreiben.
Und dann gibt es noch die generalisierte Angststörung. Ein Hund kann lediglich vor bestimmten Auslösern Angst haben. Das Fatale daran ist jedoch, dass eine Furcht vor einer bestimmten Situation in eine generalisierte Angststörung münden kann, wenn sie unbehandelt bleibt.
Ein Hund mit einer generalisierten Angststörung leidet unter so vielen Angstauslösern, dass eine Erholung dazwischen nicht mehr möglich ist. Der chronische Stress lässt den Angsthund immer sensibler auf immer schwächere Reize reagieren.
Für den Menschen ist das Verhalten nicht nachvollziehbar, denn es ist ja offensichtlich nichts zu erkennen, was die Angst auslösen könnte.
Zeigt Dein Hund mehrere der folgenden Ausdruckselemente (Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)einzeln oder mehrere zusammen, häufig während des Tages, ist es wahrscheinlich, dass Dein Hund an einer Angststörung leidet:
- Katzenbuckel (=aufgebwölbter Rücken)

- geduckte Körperhaltung
- Rute bedeckt die Analregion
- Gähnen
- häufiges Schütteln
- dauerndes Scannen der Umwelt beim Gassi
- Hecheln mit Spachtelzunge
- zurückgelegte Ohren mit glatter Stirn
- hohes Bellen
- Züngeln bzw mit der Zunge über die Lefzen fahren
- Verstecken
- motorische Unruhe
- übertriebene Körperpflege>
- vermehrtes oder vermindertes Fressen
- häufiges Kopfwegdrehen und Blinzeln
Angsthund und nun?
Zuerst solltest Du Deinen Hund so akzeptieren wie er ist. Denn er hat sich dieses Verhalten nicht ausgesucht und ständig Angst zu haben ist alles andere als cool für ihn.
Die Ursachen sind vielfältig. Da reicht bei sehr sensiblen Hunden schon eine schlechte Erfahrung. Viele Hunde aus dem Tierschutz leiden unter psychischen Traumata bis hin zu einem Deprivationssyndrom (= während der Zeit der Hirnreifung in den ersten Lebensmonaten konnten die Hunde keine Erfahrungen mit den üblichen Umweltreizen machen und reagieren hoch sensibel auf unbekannte Dinge. Diese Phase der Sozialisierung kann nicht nachgeholt werden).
Da gibt es viele körperliche Ursachen, Krankheiten, Schmerzen. Auch Überforderung, zu viel Training, zu viel Hundesport, kann zu Angst führen.

Und dann kommt leider noch das ‚Die Angst zieht Kreise‘ Phänomen hinzu:
Zunächst hat der Hund Angst zB vor dem Donner, ein lautes Geräusch, dass er nicht einordnen kann. Beim nächsten Mal reagiert er bereits, wenn es windig wird. Danach, wenn es regnet und dann, wenn Wolken aufziehen. Irgendwann ist ein bewölkter Himmel ausreichend, um Angstverhalten auszulösen. Die Angst entsteht extrem schnell und zieht weite Kreise, sodass am Ende gar keine konkreten Auslöser mehr für die Angst auszumachen sind. Der Hund hat chronischen Stress und reagiert immer sensibler auf immer schwächere Reize.
Eine Gewöhnung ist ab einem bestimmten Stresslevel nicht mehr möglich.Sie funktioniert nur, wenn die Reize noch keine emotionale Bewertung im Gehirn durchlaufen haben und das ist beim Angsthund nicht der Fall.
Wenn Du Deinen Hund dem angstauslösenden Reiz aussetzt, in der Hoffnung, dass er sich daran gewöhnt, wird Dein Hund so lange Angstsymptome zeigen, bis seine Energie aufgebraucht ist. Angst ist energieraubend.Dieser Zustand der körperlichen Erschöpfung wird mit Gewöhnung verwechselt. Er kann im schlimmsten Fall in eine erlernte Hilflosigkeit und Depression führen.
Es gibt Dinge die man im Umgang mit einem Angsthund unbedingt vermeiden sollte:
- Grobes, lautes und ungeduldiges Verhalten, verschlimmert das Befinden Deines Hundes.Kleinste Veränderungen, für uns kaum wahrnehmbar, können das Verhalten triggern. In diesen Momenten passiert es schnell, dass Du Dich hilflos und gestresst fühlst und Deine Gefühle mit Dir durchgehen. Atme stattdessen durch und mach Dir bewusst, dass Dein Hund Angst hat und dieses Verhalten nicht zeigt, weil er Dich ärgern will. Achtung! Nicht immer ist der Hund mit Deinem Verhalten gemeint. Streit unter Familienmitgliedern, Stress auf der Arbeit etc. Aber leider weiß Dein Hund nicht, dass es nicht um ihn geht. Vor allem nicht wenn er sich auch noch in der Nähe des Geschehens befindet. Und schon ist sein Angstverhalten wieder getriggert.
- Achte auf eine unbedrohliche Körpersprache. Angsthunde sind besonders sensibel im Bezug auf bedrohliche Körperhaltungen. Beuge Dich nicht über Deinen Hund, sondern gehe dafür gerade in die Hocke. Streichele ihn nicht über den Kopf, sondern im Halsbereich. Manipuliere Deinen Hund nicht unnötig körperlich. Achte auf ein vorsichtiges Anziehen von Geschirr oder Halsband.
- Konfrontiere Deinen Hund nicht mit einem Angstauslöser, um ihm zu zeigen, dass Du keine Angst davor hast und er deshalb auch keine Angst zu haben braucht. Diese Form der Stimmungsübertragung funktioniert beim Hund nicht.
- Vermeide jegliche Form von Strafe.Strafen lösen ein Gefühl von Unsicherheit und Angst aus. Das ist bei einem Angsthund kontraproduktiv.
- Unberechenbarkeit ist die Gegenspielerin von Sicherheit
Gerade Angsthunde brauchen Routine und Vorhersagbarkeit in ihrer täglichen Routine. Schon kleinste Veränderungen zB plötzlich hast Du andere Arbeitszeiten oder Du bist krank und dadurch einfach launisch, verunsichern Deinen Hund und können zu Angstattacken führen.

Wie kannst Du Deinem Angsthund helfen?
Viel wichtiger als Gehorsamstraining ist eine tolle Bindung zu Dir. Dass Du Deinem Hund Sicherheit vermittelst und er Dir vertrauen kann. Er braucht Routinen im Alltag und einen verlässlichen menschlichen Begleiter an seiner Seite. Übe mit positiver Verstärkung.
Beschäftige Deinen Hund in den Sicherheitszonen mit positiven Übungen, wie Futtersuchspiele und Tricktraining. Futter und Suchen wirken entspannend, da sie den Parasympathikus aktivieren. Den Teil des vegetativen Nervensystems, der für die Regeneration des Organismus zuständig ist. Der Erfolg stärkt das Selbstbewusstsein Deines Hundes, da er lauter positive Hormone ausschüttet.
Gebe Dich mit wenig zufrieden. Wenn man mit dem Training beginnt, lassen sich schnell Fortschritte erzielen. Dies verleitet dazu, zu schnell zu viel zu verlangen. Gerade wenn es gut läuft, musst Du Entspannungstage dazwischenschieben, damit der Erfolg nachhaltig ist und Dein Hund genug Erholungszeit hat.
Ganz wichtig ist, dass Du Deinen Hund den Angstauslösern, soweit dies möglich ist, nicht aussetzt. Angsthunde sind voller Stresshormone, wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol. Diese Hormone werden nur langsam abgebaut. Und sie haben gesundheitliche Folgen: Bei chronischer Erhöhung dieser Hormone treten typische Krankheiten, wie wiederkehrende Durchfälle, Allergien und Hauterkrankungen mit starkem Juckreiz auf.
Gerne unterstütze ich Dich und Deinen Angsthund auf den Weg zu einem unbeschwerteren Leben. Sei es mit Einzelstunden und/oder mit meinem Kurs Stress Lass Nach.
von Yannick Haller | März 20, 2024 | Hundegeschichten

Bei der Beschreibung zu vermittelnder Hunde gibt es in Bezug auf deren Wesen Angaben wie: verstehen sich mit anderen Hunden, können zu Katzen, sind stubenrein. Sicher, ist alles wichtig. Dennoch es fehlt immer ein äusserst wichtiges Verhaltensmerkmal: ist der auserwählte Vierbeiner Früh- oder Spätaufsteher. Also zumindest bedeutungsvoll für die Lifebalance des zukünftigen Herrchens.
Wir hatten 2 Hunde aus dem Tierschutz. Wir liebten sie beide. Beide hatten sehr unterschiedliche Charaktere – normalerweise. In einem Punkt jedoch waren sie sich einig: es ging überhaupt nicht, dass Herrchen länger als bis 8 Uhr im kuschligen, warmen Bett liegen blieb. Schließlich drohten die Hunde jeden morgen, spätestens um diese Uhrzeit, zu verhungern. Und dieser Zustand war für die Homöostase der Beiden alles andere als erträglich.
Meist begann Basco mit dem morgendliche Weckritual. Ich hörte sein Körbchen knarren (es war mit seinen 46 kg etwas überfordert), dann folgte eine bestimmte Art und Weise des sich aus dem Körbchens Erhebens. Daran anschließend die morgendliche Hundegymnastik verbunden mit Lautäusserungen die man nicht unbedingt einem Hund zu ordnen würde. Schließlich sollten alle im Haus mitbekommen, dass Monsieur nun aufgestanden ist. Es folgte eine dynamische Runde durch das Wohnzimmer, mit kurzem Bellstop am großen Fenster, und Endstation im Schlafzimmer auf meiner Bettseite. Hier stand er nun demonstrativ vor mir und begann zu „reden“. Spätestens jetzt kam Klein Paula angerannt und landete mit viel Schwung auf der Bettdecke (und somit auf mir). Ignorieren vollkommen zwecklos. Die beiden beschnupperten sich kurz, sprachen somit das weitere Vorgehen „wie bekommen wir Herrchen schnellstmöglich aus dem Bett und in die Küche“ ab. Was folgte ist Arbeitsteilung: Paula versuchte Herrchen schon mal einer kurzen morgendlichen Wäsche zu unterziehen, Basco hebte eine Pfote (manchmal auch 2) ins Bett und säuselte mir ins Ohr. Dieser Aktion konnte ich maximal 10 Minuten standhalten, die Kapitulation war unausweichlich.
Wollte ich dann allerdings aufstehen, lag garantiert Paula so auf der Bettdecke, dass der Weg aus dieser erst mühevoll erkämpft werden musste.
Der Sieg wurde von den beiden mit einer kleinen Belleinlage gefeiert.
Schaffte ich es hin und wieder der Hundebelagerung zu widerstehen, läutete garantiert der Wecker den man vergessen hat abzustellen. Und der Wecker wiederum ist das Signal für die Hunde….